Ski in Chile: Platten statt Powder, harte Hunde und ein Freeride-Trip, der im Pazifik endet
Kakteen, Strände, Wüste und Wellen hatten wir in der ersten Hälfte unseres Chile-Ski-Trips schon ausreichend auf dem Tour-Plan. Wir sahen auch Huskys um Vulkane rennen und fuhren selbst einige Tage auf den weißen rauchenden Kegeln Ski. Aber letztlich endete unsere Reise doch wieder im Meer – auf Kites und Surfbrettern. Direkt zuvor waren wir allerdings noch mit einem Helikopter in den Hochlagen der Anden unterwegs. Ski-und-Surf-Aktivitäten am selben Tag – das gibt’s auch nur in Chile.
SKIFAHREN IN DEN ANDEN, EIN HUSKY-RENNEN IN PATAGONIEN UND SURFEN AN DER PAZIFIKKÜSTE / CHILE, SÜDAMERIKA
„Lava-Gestein ist scharf. So scharf, dass es uns schon zum dritten Mal den Reifen unseres betagten, allradangetriebenen Dodge Durango aufschlitzt.“
Gerade jetzt, wo der Start des Villarrica Volcano Race unmittelbar bevorsteht, müssen wir Gummi geben und in Fomel-1-Manier den Pneu wechseln. Weiter oben am Berg hört man bereits infernalisches Hundegebell. Diverse Husky-Rudel und ihre menschlichen Leitfiguren – genannt Musher – haben sich auf der südlichen unteren Gletscherzunge des 2.840 Meter hohen Vulkans hier im tiefsten Patagonien versammelt um gegeneinander anzurennen.
20 Zentimeter Neuschnee, die über Nacht gefallen sind, haben die umliegende Landschaft in eine magische Szenerie verwandelt. Skurrile Araukarien-Bäume, knorrige Chile-Zedern und tiefschwarzes Gestein – alles ist überzogen mit einer fluffigen weißen Schneedecke. Das stachelt das Wettkampffieber der unzähligen „alaskan“ und „siberian“ Huskys nur noch mehr an. Als wir endlich hechelnd wie die Hunde den Startplatz erreichen, stürzt sich gerade der deutsche Starter und Rennorganisator Konrad Jakob ins Getümmel. Rauch steigt auf zu unserer Begrüßung – denn der im Hintergrund thronende Vulkan glitzert in der Sonne und signalisiert mit einer permanenten Rauchfahne, dass sein Schlot die direkte Verbindung ins Erdinnere hat. Mystisch und majestätisch. Ein extremes Umfeld für die Ausrichtung eines Hundeschlittenrennens und eigentlich eine permanente Bergwertung für die zehn Vierbeiner, die jeweils ein Gespann bilden. Mehr als einen Tag und eine Nacht wird gerannt soweit die Pfoten tragen, Pausen und Verpflegungsstopps muss der Musher für sich und seine Hunde selbst einteilen. Ein extrem harter Sport, der durch die völlige Abgeschiedenheit des Terrains noch eine völlig unberechenbare Komponente bekommt.
„Chile ist ein so unglaublich abwechslungsreiches und atemberaubendes Land, da lebt man ohne Uhr und Kalender. Meine Frau und ich vergessen fast jedes Jahr den Weihnachtstermin“, erklärt uns der alte Extrembergsteiger Hans Saler, der in Villarrica seinen Lebensabend verbringt und als Gletscher-Guide beim Huskyrennen für die Sicherheit am Berg sorgt. Hans kennt in Patagonien jeden Vulkan wie seine Westentasche.
Ein Tag Ski, dann Husky
Wie unglaublich groß die Gletscherflanken sowie die zahlreichen Rippen und Täler des Villarrica sind, davon konnten wir uns einige Tage zuvor bei einer Skibesteigung und anschließenden Abfahrt schon selbst einen Eindruck machen. Jetzt sind sämtliche Husky-Teams in den weißen Weiten verschwunden. Es herrscht glasklare Stille. Stundenlang. Spät am Tag taucht die untergehende Sonne den Horizont in faszinierende Purpur- und Orangetöne – Farben, die unserem europäischen Auge völlig unbekannt sind. Dann sinkt die Nacht wie ein Samtvorhang über den weiß schimmernden Vulkan. Millionen von Sternen funkeln und die riesige Milchstraßenwolke spannt sich über den Himmel. Höchste Zeit für uns, zusammen mit einigen anderen Renn-Helfern in einer kleinen, zugigen Holzhütte in die Schlafsäcke zu krabbeln. Eisige Kälte umweht unsere Nasen, aber bei dem Gedanken an die Temperaturen, denen die Husky-Teams oben auf den Gletscherfeldern ausgesetzt sind, wird uns schnell wieder warm.
Am nächsten Morgen schwappt dann Aufruhr durchs Lager. Per Funk haben zwei begleitende Schneemobile durchgegeben, dass der Zieleinlauf der schnellsten Teams unmittelbar bevorsteht. Platz 1 bis 3 machen die Argentinier unter sich aus: Überlegener Sieger mit den schnellsten Hunden ist Javier Alvarez, darauf folgen Maximo Junquet und Hernan Cipriani. Platz 4 geht an den deutschen Chile-Auswanderer Konrad Jakob, der nicht nur dieses außergewöhnliche Rennen auf die Beine gestellt hat, sondern FALKE dafür auch als Sponsor gewinnen konnte. Tja, dass Konrad nicht für good old Germany, sondern für seine neue Heimat Chile an den Start ging, verschweigen wir dann mal besser.
Was die Huskys geleistet haben ist wahrlich unglaublich. Unsere bisherigen Skierlebnisse nach mehr als zwei Wochen Aufenthalt in Chile sind dagegen etwas mager. Aber wir haben einen neuen hochfliegenden Plan. Schon von Deutschland aus hatten wir Kontakt zu der Heli-Base der Puma-Lodge in den einsamen Weiten der Anden östlich von Rancagua und etwa 100 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago hergestellt. Um von unserem Standort Villarrica in Patagonien dort hinzugelangen, fahren wir 850 Kilometer auf der gepflegten Autobahn Routa 5, weitere 50 Kilometer auf sich windenden Gebirgsstraßen und 30 Kilometer auf staubig-steilen Schotterpisten. Am Ende quälen wir uns noch einen veritablen Offroad-Track mit Felsblöcken, Flussquerungen und tiefen Spurrillen hoch. Nach den letzten Serpentinen tauchen aus einem Hochtal ein Heli-Hangar aus Aluminiumblech und eine riesige Lodge in Holzbauweise auf, die man hier in dieser Abgeschiedenheit am allerwenigsten erwartet hätte.
„Skifahren per Helikopter garantiert Höhe, und damit Powder.“
Obwohl wir das Tourengehen normalerweise den Rotoren vorziehen, ist das für uns die letzte Chance, die traurige Schneesituation hinter uns zu lassen und in Höhen bis über 4.000 Meter vorzudringen, um endlich perfekten Anden-Schnee unter die Planken zu bekommen. Als wir allerdings die Preise für die exklusiven Heli-Dienste und die luxuriöse Unterkunft erfahren, wird uns sofort klar, dass nach spätestens zwei Flugtagen unser komplettes Restbudget für die Reise im wahrsten Wortsinne verflogen sein wird. Auf unseren Vorschlag im Heli-Hangar in Schlafsäcken zu übernachten, will sich der freundliche Lodge-Manager leider nicht einlassen, aber er bietet uns einen echten Dumping-Preis für drei Übernachtungen in seiner Nobel-Herberge an. Auch der Heli-Chef und Chefbergführer namens Pancho rechnet mit spitzem Bleistift und überrascht uns zudem mit dem Vorschlag, dass er uns unsere eigenen Anden-Playgrounds servieren will.