Gressoney: Heli-Skiing im Monte-Rosa-Massiv und höchster Drop-off der Alpen

Monte Rosa: Kein Tagtraum – ein Traumtag mit Heli-Skiing im italienischen Gressoney

Skiabenteuer per Helikopter kennt man ja eigentlich nur als american dream. Aber leider ist das Portemonnaie junger Freerider meist nicht so prall gefüllt wie der Bierbauch und das Konto all jener Skitouristen im besten Frührentner-Alter, die sich das teure Powder-Vergnügen in Übersee zwischen British Columbia und Alaska problemlos leisten können. Wer beim Gedanken an diese himmelschreiende Ungerechtigkeit und die Nichterfüllung des persönlichen skifahrerischen Traums schon in eine ernste Winterdepression verfällt, kennt die Heli-Ski-Möglichkeiten in den Alpen noch nicht. Im riesigen Monte-Rosa-Massiv im italienischen Piemont knattern die Rotoren ebenso vielversprechend.

HELI-SKIING AN DER MONTE ROSA / PIEMONT, ITALIENISCHE ALPEN

Versprochen: Hier wird schon

ein einziger Flug zum Highlight.“

An der Monte Rosa sind skifahrerische Höhenflüge bis weit über 4.000 Meter Höhe möglich. Anreiseweg ist nicht Übersee, sondern über die Autobahn. Die Kosten halten sich in Grenzen, dafür sind die Tiefschnee-Varianten unbegrenzt.

 Klein wie eine Schneeflocke wirkt der Helikopter, so wie er vor der beeindruckenden Wand des 4.527 Meter Lyskamm Orientale entlangschwebt. In weiten Spiralen hat er sich mühsam vom 1.800 Meter hohen Startplatz im Gressoney-Tal heraufgeschwungen in die immer dünner werdende, klirrend kalte Hochgebirgsluft – hinauf zu unberührten Schneefeldern zwischen zerklüfteten Gletscherbrüchen und wilden Felsflanken. Pilot Claudio, Bergführer Rudi von den Monterosa Guides, Akki, ich und zwei finnische Freunde von uns sind an Bord. Während Claudio und Rudi mit routinierter Konzentration einen weiteren ihrer vielen Flüge absolvieren, starren wir vier Mitflieger wie paralysiert aus der Kanzel. Wir blicken auf eine tief verschneite Bergwelt, deren Ausmaße eher an den Himalaya als an die Alpen erinnern, so beeindruckend und überdimensioniert ist das Panorama, das sich uns hier bietet. Adrenalin und Endorphin sowie die Vorfreude auf nicht endende Schwünge schießen in wildem Stakkato durch unsere Hirne und Blutbahnen.

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„An einem Tag wie heute kann man sogar den Mailänder Dom sehen“, sagt unser Bergführer Rudi Janin .

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ENDLICH ABFLUG

Wir sind blind für den winzigen Punkt am Horizont in Richtung Südosten, der laut Bergführer Rudi der Dom von Mailand sein könnte. Stattdessen richtet sich unser religiöser Eifer auf die unzähligen Riesen-Gipfel und die reinweißen Gletscherfelder im Monte-Rosa-Massiv. Minuten später ist unser Ziel erreicht – der über 4.000 Meter hohe Landeplatz auf dem Gletschergrat des Lyskamm. Im chaotischen Wirbel aus Eiskristallen und Schneeflocken setzt der Pilot die Kufen vorsichtig auf. Die Cockpit-Tür öffnet sich und wir treten aus dem Auge des Sturms. Vor uns liegt eine neue Welt und der eiskalte Powder der Monte Rosa …

„Grandiose Region, atemberaubendes Terrain und höchster Heli-Drop-Off-Point der Alpen!

Ein absoluter Superlativ für Freerider ist der höchste Heli-Drop-Off-Point der Alpen auf 4.450 Meter. Ein eisiger Grat zwischen Zumsteinspitze (4.563 Meter) und Punta Gnifetti (4.554 Meter). Eigentlich vermutet man hier oben ausschließlich Bergsteiger, doch erfahrenen Off-Piste-Skifahrern eröffnen sich von diesem höchsten Heli-Gipfel zwei Varianten, die unterschiedlicher nicht sein könnten:

Bei ersterer verliert sich der Blick in bodenlose Steilheit, wenn man starr vor Ehrfurcht über den scharfen Sattel in die Monte Rosa-Ostwand Richtung Macugnaga hinabschaut. Der Blick wandert ins Marinelli-Couloir, die mit 2.500 Höhenmetern und mehr als 45° Grad längste per Ski befahrbare Steilrinne der Alpen. Der Ritt ist nur an wenigen Tagen im Jahr möglich und die Zahl derjenigen, die sich dort hinuntergeschwungen haben, ist in Zeiten, in denen Freeride zur Massenbewegung geworden ist, immer noch sehr überschaubar. Pionier dieser verwegenen Route war der französische Extremskifahrer Sylvain Saudan am 10. Juni 1969. Für die Erstbefahrung benötigte er laut eigenen Angaben zweieinhalb Stunden und circa 2.500 Schwünge.

Viel weniger extrem, dafür aber ähnlich schwunghaft und landschaftlich grandios, ist die Abfahrt, die Richtung Westen auf Schweizer Terrain über den zwölf Kilometer langen Gornergletscher führt. Bis zur Talstation der Furi-Gondelbahn in Zermatt auf 1.864 Meter kann man seine Spuren in Pulverschnee und freies Gelände ziehen. Fast 2.600 Höhenmeter Genussabfahrt in unberührtem Gelände – endlos schön. Noch schöner: Nach dem Aufwärtsgondeln über Furi, Testa Grigia und Gobba di Rollin auf 3.900 Meter führt einen der kundige Bergführer wieder Richtung Italien. Zwischen imposanten Felstürmen und Gletscherformationen geht es die Südseite der Monte Rosa hinunter bis ins kleine Örtchen Champoluc. Ergebnis: Zwei Länder und zwei gewaltige Abfahrten an nur einem Tag. Und zudem: Helikopter und Gondelbahn sowie Schweizer Käse und italienische Pasta in großartiger Kombination.

„Zehn Viertausender

Trotzdem, das gesamte Gebirgsmassiv der Monte Rosa ist der eigentliche Gigant, den es zu bewundern gilt. Neben dem Hauptgipfel Dufourspitze (4.634 Meter) zählen dazu – je nach Zählweise – noch weitere zehn Gipfel im oberen Viertausender-Bereich. Flächenmäßig ist diese Berg- und Gletscherkette, die zu etwa einem Drittel im Schweizer Kanton Wallis und zu zwei Dritteln im italienischen Piemont liegt, das Gewaltigste, das die Alpen zu bieten haben. Besonders die italienische Seite der Monte Rosa fasziniert alle Tiefschnee-Junkies. Nicht nur mit einem über drei Täler reichenden Liftkarussell von dessen höchsten Punkten aus viele Off-Piste-Varianten mit oder ohne Fellaufstieg angegangen werden können, sondern auch mit riesigen Gletschern, hochalpinem Gelände und endlosen Schneefeldern, wie man sie sonst nur in den menschenleeren Gebirgsketten im hohen amerikanischen Norden vermutet. In diese oberste Etage der Monte Rosa katapultieren sich Skifahrer am besten mit dem Helikopter.

Qual der Freeride-Moral: Umweltaspekte versus Skivergnügen.

Natürlich gilt es immer Umweltaspekte versus Skivergnügen abzuwägen. Und nicht überall in den Alpen ist Heli-Skiing so unproblematisch möglich wie an der Monte Rosa. Provinzen wie Bozen und Trento haben es untersagt. Allerdings können in Italien die Gemeinden selbst entscheiden, ob sie ein Verbot aussprechen oder nicht. Aus Umweltaspekten und Lärmschutzgründen bleiben Helikopter mit Skifahrern an Bord in Deutschland, Frankreich und Liechtenstein generell am Boden und auch Österreich erlaubt nur magere zwei Landeplätze im Vorarlberg. Einzig die Schweiz hat noch offizielle 42 Gebirgslandeplätze. Summa summarum, die Möglichkeiten des Heli-Skiings schwinden zusehends in Europa. Es bleibt ein exklusives Vergnügen. Aber genau diese Tatsache sorgt auch dafür, dass der Heli-Skitourismus an der Monte Rosa nicht ausufert. Denn zum einen haben die Bergführer-Büros von der zuständigen Behörde nur die Genehmigung für eine begrenzte Anzahl von Flügen in der Saison und zum anderen ist es in einer so wilden Hochgebirgsregion aufgrund von Schneefall, Wind und Schlechtwetterphasen nur an speziellen Tagen möglich, den Abflug in den Powder per Rotorunterstützung zu machen. Qualität rangiert hier vor Quantität. Genau das ist auch der reglementierende Faktor für Freerider. Lieber just in time für einen perfekten Bluebird-day anreisen, mit ein bis zwei Heli-Flügen die atemberaubende skifahrerische Einsamkeit zwischen monströsen Gletscherfeldern und mächtigen Powderflanken erleben und den Rest der Zeit im Skigebiet oder beim Skitourengehen verbringen, als sich – wie in Übersee – eine Woche lang in den Helikopter und in eine teure Lodge zu setzen und jenes tagtägliche dutzendfache Dauerdurchstarten schon als das selbstverständlichste Ski-Transportmittel der Welt anzusehen.

 

Wer schon immer vom Heli-Skiing geträumt hat, aber den Aufwand und die Kosten Richtung Kanada oder Alaska scheute, der sollte diesen Tagtraum endlich gegen einen Traumtag eintauschen: an der Monte Rosa ist das machbar. Und manchmal ist weniger eben mehr …

Text: Dirk Wagener

Fotos: Dirk Wagener

Skigebiet und Freeride

Die unzähligen Tiefschnee-Varianten der Monte Rosa kann man nicht nur per Heli, sondern auch mit den zahlreichen Liften perfekt nutzen. „Monterosa Ski“ zählt zu den größten zusammenhängenden italienischen Skizentren. Das auch als „Freeride Paradise“ bezeichnete Skigebiet mit über 180 Pistenkilometern und zahlreichen Off-Piste-Varianten erstreckt sich über drei Täler. Das mittlere ist das Gressoney-Tal. Es ist bestens für Heli-Unternehmungen geeignet und auch an einem „Heli-freien“ Tag befindet man sich hier in einer idealen Ausgangsposition. Parallel erstreckt sich von Südosten das Valsesia-Tal. Letzter Ort in diesem Tal ist Alagna. Auf der anderen Seite – von Südwesten – windet sich das Tal von Champoluc bis an die Monte-Rosa-Bergkette. Die meisten Off-Piste-Abenteuer starten an der Bergstation der Gondelbahn zum Passo Salati (2.973 Meter) oder an der noch eine Etage höher gelegenen Punta Indren (3.275 Meter). Da hier alles etwas monumentaler ist als in anderen Gebieten, ist das Erkunden des freien Geländes auf eigene Faust wenig ratsam. Besser ist, man hat einen örtlichen Bergführer an seiner Seite.

Heli-Skiing und Bergführer

Im kleinen Ski-Örtchen Staffal am Ende des Gressoney-Tals betreiben der Italiener Carlo Cugnetto und der Deutsche Frank Henssler seit 1995 mit einem Team aus erfahrenen Berg- und Skiführern das Bergführerbüro Guidemonterosa beziehungsweise das auf Heli-Skiing spezialisierte Unternehmen Heli Guides. Das Büro befindet sich beim Hotel Nordend nahe der Bar Giovanni und liegt drei Gehminuten entfernt von den Seilbahnen in Staffal. Wenn es um die Planung einer ganz individuellen Heli-Ski-Traumtour, die Einschätzung der eigenen Geländegängigkeit oder den richtigen Schwierigkeitsgrad geht, finden Tiefschnee-Fans bei Guidemonterosa und Heli Guides absolute Profis als Ansprechpartner. Zudem arbeitet man dort nur mit Bergführern, die in diesem Teil der Alpen groß geworden sind sowie mit erfahrenen Vielfliegern als Helikopterpiloten, die auch die im Monte-Rosa-Massiv thronenden Berghütten mit Lebensmitteln und Material versorgen. In jedem Fall lohnt die Kontaktaufnahme per E-Mail oder per Telefon, um Ablauf, Schneelage, die Heli-Möglichkeiten, Preise oder individuelle Angebote abzuklären.

Ansprechpartner

www.guidemonterosa.com

Fraz. Tschaval 5, 11020 Gressoney la Trinité, (AO) Italia

Tel.: IT +39 0125366019, DE +49 89 215536560, CH +41 71 6887000

E-Mail: Info [at] Guidemonterosa [dot] com

www.heli-guides.com

Tel.: DE: +49 89 215536560, CH +41 71 6887000, IT +39 0125366019

E-Mail: info [at] heli-guides [dot] com

Preise und Packages

Helikopterflüge plus Berg- und Skiführer in der Monte Rosa-Region kann man sich leicht selbst organisieren. Entweder als eintägiges Highlight eines „normalen“ Skiurlaubs oder als speziell geplante mehrtägige Powder-Trips. Wer den Organisationsaufwand scheut und mit Gleichgesinnten unterwegs sein will, kann bei Guidemonterosa oder Heli Guides in Gressoney auch Komplettangebote buchen. Die eingesetzten Helikopter können vier Gäste transportieren. Dieses Team-Building sollte man anstreben, um sich nicht nur das Tiefschnee-Vergnügen, sondern auch die Kosten zu teilen. Die liegen – je nach Landeplatz – zwischen 100 und 180 Euro pro Flug / Tag.

Web-Links, Literatur und Karten

www.monterosa-ski.com

www.freerideparadise.it

www.aosta-valley.co.uk/destinations/gressoney

 

Das Buch „Polvere Rosa“ von Andrea Gallo liefert einen großartigen Überblick der Off-Piste-Varianten an der Monte Rosa.

Exakte topografische Karten im Maßstab 1:25.000 gibt es vom Instituto Geografico Centrale (Nr. 108 und 109).

„Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.“

(Antoine de Saint-Exupéry)

The End

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